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SB-3 (Sammlung Robert Feind)

Die Funktion des Stellvertreters in der byzantinischen Verwaltung. Eine sigillographische Untersuchung.

Das Promotionsvorhaben beschäftigt sich mit den Rollen und Aufgaben des Stellvertreters in der byzantinischen Verwaltung. Es wird analysiert, unter welchen historischen Bedingungen und in welchen Ausprägungen die Funktion des Stellvertreters zwischen dem 8.  Jh. und dem 11. Jh. anzutreffen ist und welche Veränderungen sie im Laufe der Zeit durchlief.

Ek prosopu bzw. Stellvertreter war in der byzantinischen Staatsorganisation eine gebräuchliche Funktionsbezeichnung. Von den frühesten Zeugnissen in der zweiten Hälfte des 7. Jh. bis zum Anfang des 12. Jh. erscheint der Begriff in Urkunden sowie in literarischen bzw. sigillographischen Quellen im Zusammenhang mit folgenden Aufgabenbereichen: Vom 8. Jh. bis zum 10. Jh. war er als ek prosopu tu basileos der aus Konstantinopel heraus regierende Vertreter eines abwesenden Kaisers und war dafür verantwortlich, die Hauptstadt im Fall eines feindlichen Angriffs zu verteidigen. In der Provinzialverwaltung handelte es sich – bereits belegt ab dem späten 7. Jh. – um den ek prosopu ton thematon bzw. ton strategon, d. h. um eine Person, die einen Themenstrategen als ihren Vorgesetzten vertrat. Zu dieser Kate­gorie zählen auch weitere Beamte, die vom Kaiser ernannt wurden und zur Aufgabe hatten, das Thema an Stelle eines vakanten strategos gewissermaßen kommissarisch zu leiten. Die verschiedenen Ressorts (sekreta) der Zentralverwaltung sind der dritte Bereich, innerhalb dessen ein Stellvertreter vor allem im 11. Jh. vorzufinden ist. Die betreffende Person scheint hier das jeweilige Büro bzw. seinen Leiter über einen längeren Zeitraum, etwa im Außendienst, vertreten zu haben.

Das Ziel des vorliegenden Forschungsvorhabens ist, die Funktion des Stellvertreters innerhalb der Organisation des byzantinischen Staates umfassend zu beleuchten. Dazu gehört eine systematische Definition und Darstellung der verschiedenen Rollen und Aufgaben eines Stellvertreters, seine Stellung in der Ämterhierarchie und die Einordnung des Amtes in den jeweiligen allgemein­historischen und verwaltungs-geschicht­lichen Kontext.

Historische Wendepunkte waren vor allem das 7. und 8.  Jh., als die spätrömische Provinzialstruktur durch die sogenannte Themenverfassung ersetzt wurde, sowie das 11. Jh., als sich die alte militärische Organisation der Themen langsam auflöste und sich gleichzeitig neue ziviladministratorische Einheiten entwickelten. Genau die Zeit zwischen dem 8. und dem 11. Jh. bietet einen hervorragenden Rahmen für die Untersuchung der verschiedenen Stellvertreter-Funktionen anhand von unterschiedlichen Quellengattungen.

Neben Historiographie, Hagiographie sowie dokumentarischen Quellen spielt das sigillographische Material für die Erforschung des byzantinischen Verwaltungssystems eine kaum zu überschätzende Rolle. Ihre Inschriften enthalten Informationen verschiedener Art: sie nennen den Namen des Siegelnden, seinen Titel (der Rückschlüsse auf die Rangklasse erlaubt) und schließlich sein Amt. Jede Änderung des Titels oder des Amts führte zur Anfertigung eines neuen Stempels mit neuer Inschrift, was uns heute Hinweise über die Karriere der byzantinischen Beamten liefert. Aus diesem Grund sind Siegel für die Verwaltungsgeschichte als erstrangige Quellen anzusehen, die den anderen Quellengattungen effektiv gegenübergestellt werden können.

Schätzungsweise 80.000 Bleisiegel haben sich aus byzantinischer Zeit erhalten. Davon stammen vermutlich knapp 200 von einem Stellvertreter. Im Rahmen des Dissertationsvorhabens soll das vorliegende sigillographische Material bezüglich der verschiedenen Stellvertreter-Bezeichnungen erfasst und untersucht werden, wie sich die Zahl der ek prosopu (und sonstiger Stellvertreter mit anderer Bezeichnung) in Laufe der Jahrhunderte verändert, inwieweit eine geografische Zuschreibung vorhanden ist und welche weiteren Ämter und Titel bzw. welche Verwaltungsbüros mit einem Stellvertreter assoziiert sind. Diese Daten können dann mit den Ergebnissen aus anderen Quellengattungen konfrontiert werden.

Schließlich wird ein Corpus bedeutsamer Bleisiegel zum Stellvertreter zusammengetragen, neu oder erstmals ediert und mit Bezug auf das Forschungsthema kommentiert sowie verwaltungshistorisch eingeordnet.