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Dissertationsprojekt von Martina Filosa

Photo: Das Siegel des Johannes Chrysoberges (S-80 Sammlung Robert Feind)

Die Wirtschaft- und Finanzverwaltung kirchlicher Institutionen im byzantinischen Reich im Spiegel byzantinischer Bleisiegel (Arbeitstitel)

Bei dem vorliegenden Promotionsprojekt geht es um die erste systematische und umfassende Untersuchung der Wirtschafts- und Finanzverwaltung kirchlicher Institutionen, vor allem von Klöstern und Kirchen, im byzantinischen Reich anhand von Bleisiegeln. Die bisherige Forschung basiert einerseits auf literarischen Quellen, andererseits auf dokumentarischen Zeugnissen, unter denen die Klosterakten die bisher bedeutendste Rolle spielen.

Noch nicht berücksichtigtes Potential bieten die Bleisiegel, deren fast völlige Vernachlässigung in der Forschung ein Defizit darstellt. Im Gegensatz zu den anderen Quellengattungen bieten Bleisiegel ein fast unerschöpfliches Reservoir an Informationen, da nicht nur die bisher gefundenen Siegel kaum systematisch aufgearbeitet sind, sondern durch zukünftige Ausgrabungen weitere Materialfunde zu erwarten sind. Neben dieser quantitativen Dimension besteht ein weiterer Vorteil dieser Quellengattung in qualitativer Hinsicht darin, dass es sich bei Bleisiegeln in der Regel um Unikate handelt, die jedes für sich Erkenntnisse über prosopographische, verwaltungs- sowie wirtschaftsgeschichtliche Zusammenhänge liefern.

Den Kern des Forschungsprojektes bildet eine Reihe vielschichtiger Fragestellungen, die zum Ziel haben, die Rolle der kirchlichen Institutionen ebenso als komplexe ökonomische Akteure in der Wirtschafts- und Sozialstruktur des byzantinischen Reiches näher zu erforschen. Schwerpunktmäßig gilt es zu erforschen, in welchem Umfang Ämter mit ausgeprägten wirtschaftlichen Eigenschaften im kirchlichen Bereich belegt sind; inwiefern die wirtschaftlichen Ämter kumulierbar sind, und welche Kombinationen in unterschiedlichen chronologischen und geographischen Zusammenhängen festzustellen sind5; in welchem Umfang ursprüngliche Finanzverwaltungsposten im Laufe der Jahrhunderte ihre Funktion verloren haben oder vice versa ursprüngliche rein kirchliche Ämter sich dann zu Finanzämtern entwickelt haben; in welchem Rahmen Ämter vererbt werden konnten; inwieweit auch Laien wirtschaftliche Ämter im kirchlichen Bereich bekleiden konnten. Außerdem gilt es auch statistisch zu erfassen, wie viele Bleisiegel für jede Institution bzw. für jeden Amtsträger für den aktuellen Forschungstand belegt sind, und inwiefern sich von der Belegmenge her eine eindeutige Tendenz konstatieren lässt; ob sich Handelsnetzwerke innerhalb der Klöster bzw. zwischen den Klöstern und dem Hinterland feststellen lassen.

Das Forschungsprojekt wird sich primär auf die Siegel der beiden größten Sammlungen, Dumbarton Oaks Research Library and Collection und Ermitage, stützen. Auf diese Weise wird nicht nur ein Großteil der vorhandenen Siegel erfasst, sondern auch dem praktischen Gesichtspunkt der Zugänglichkeit Rechnung getragen: während die publizierten Siegel, auf denen der Fokus liegt, in Editionen von höchstem Standard vorliegen, lassen sich die unpublizierten aufgrund von Katalogkarten vor Ort leicht erschließen.

Ein weiterer methodischer Schwerpunkt wird der Vergleich mit den übrigen relevanten Quellen sein. Dies sind hauptsächlich Klosterakten, die sogenannten κτητορικὰ τυπικὰ und die βρέβια. Im ersten Quellentyp sind nämlich häufig Urkunden enthalten, die An- oder Verkaufstransaktionen seitens der Mönche bezeugen. Die κτητορικὰ τυπικά (auch als Stiftungsurkunden bekannt) sind von den Gründern eines Klosters verfasste Urkunden, und beinhalten Regeln, die ausschließlich für das jeweilige Kloster gelten. Üblicherweise sind sie von einer weiteren Urkunde, dem βρέβιον, begleitet, die eine Art Anhang zu der Stiftungsurkunde darstellt, zusammen mit einer Auflistung aller Eigentümer des jeweiligen Klosters (u.a. Grundstücke, Wertgegenstände, liturgische Gewänder).

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